corona bringt
mich um
a radio play to
watch
friedrichsdorf
20
20
Ich fliege. Doch es fühlt
sich nicht schön an.
Ich fliege in einer großen Kapsel mitten im
Weltraum. Hier bin ich sicher, vor der
zerstörten Welt unter mir. Allerdings wäre
ich lieber tot als sicher. Ich würde viel lieber
für das Büßen, für das ich selbst
verantwortlich bin. In der Kapsel riecht es
nach Plastik. Keine einzige Pflanze befindet
sich hier drin. Keine Vögel singen. Ich kann
nicht viel denken, weil die stickige Luft mein
Gehirn vernebelt. Es gibt ein kleines Fenster
in meiner Kapsel. Ich habe Angst davor, weil
es mir den Blick auf die Welt ermöglicht.
Jedoch zwinge ich mich hinaus zu sehen,
auf das, was einmal mein zu Hause war. Ich
schäme mich sehr. Ich wollte nicht zu der
Generation gehören, die es zu Ende bringt.
Ich wollte nicht das Ende sein. Ich wollte
nicht das zerstören, was die Menschen vor
mir und die Natur aufgebaut hatten. Aber
nun ist es zu spät und ich kann nichts weiter
tun, als mich selbst zu hassen.
nehmen Sie kontakt mit
uns auf
Tel: 01733090939
E-Mail: theater-etzetera@t-online.de
Web: www.theater-etzetera.de
Adresse: röhnstraße 4a
61381 friedrichsdorf
darsteller*innen
Giulietta Winkler Nina Schickling Puya Liotta
Silja Ludwig Sarah Eilers Helena Mücke
Max Schnella Maya Ehlert
fertigstellung
Friedrichsdorf
20. Dezember 2020
projekt
Ein Projekt des theater et zetera
auf dem schulhof
Ich stehe auf dem Schulhof. Meine halbe Klasse steht
in einem Kreis um mich herum. Die meisten Lachen
und manche zeigen mit dem Finger auf mich. Ich
folge ihren Blicken und schaue an mir herunter. Ich
sehe, dass ich einen Krankenhauskittel trage. Es klebt
an einigen Stellen Blut. Ich trage an mehreren Stellen
Verbände. Ich weiß nicht mehr genau wie ich hierher
kam oder woher, aber ich muss wieder zurück. Ich
spüre nur wie meine Füße mich zu einem Loch in der
Menge tragen und ich meine Ellbogen nutze um mich
durch zu boxen.
Einige Schüler gehen zur Seite, andere Stellen sich in
den weg. Ich laufe auf den Ausgang des Geländes zu.
Die Tür ist verschlossen also renne ich weiter den
Zaun entlang und suche nach einem anderen
Ausgang. Ich sehe wie die Masse mir zombieartig
hinterherrennt. Ich bekomme Angst und renne noch
schneller. Die Masse verfolgt mich weiter. Ich schaue
immer weder flüchtig nach hinten und plötzlich
stolpere ich und falle. Mein Kopf knallt gegen den
Zaun und mir wird schwarz vor Augen. Ich bleibe
reglos liegen.
ich bekomme einen kotzreiz
So ätzend, meine rosa Strumpfhose ist schon wieder
verrutscht. Ich musste mich heute besonders
mädchenhaft anziehen, da die Verwandtschaft
kommt.
Meine Familie ist sehr konservativ. Vor allem mein
Vater, er möchte die perfekte Familie.
Wenn er herausfinden würde, wer ich wirklich bin,
würde er mich verstoßen und ich wäre nicht mehr
sein Kind.
Meine Mutter würde nichts dagegen tun und zu
meinem Vater halten, so wie sie es immer tut.
Niemand weiß von meinem Geheimnis, außer meiner
heimlichen Freundin.
Sie ist die einzige, die mich so akzeptiert, wie ich bin.
Ich liebe sie.
Eine Wolke von Parfüm steigt mir in die Nase, ich
bekomme einen Kotzreiz.
Mein ganzer Körper ist mit Spitze bedeckt, alles juckt
und kratzt. Ich will einfach nur raus aus den
Klamotten.
Ich fühle mich fremd in meinem Körper. Eine Wolke
von Parfüm steigt mir in die Nase, ich bekomme einen
Kotzreiz.
Jeden einzelnen Tag stehe ich unwohl auf, gucke in
den Spiegel und entdecke immer mehr Fehler an mir.
Wie ich da stehe, so selbst zweifelnd und gebrochen.
Ein Häufchen Elend.
Dann gehe ich in die Schule und spiele das perfekte
Mädchen.
Immer mehr fresse ich meine Probleme in mich hinein
und abends liege ich dann leise schluchzend in
meinem Bett.
Es reicht mir!
Ich kann nicht mehr, so will ich nicht leben!
Und dann schreie ich, so laut ich kann:
Ich bin ein Junge und kein Mädchen!
woran ich nicht wirklich
geglaubt habe
Heute muss ich wieder einkaufen gehen, also Sachen
gepackt und los geht’s. Ich weiß gar nicht, wieso alle
Leute Maske tragen, eigentlich müsste ich auch eine
tragen, aber ich schummele mich immer wieder
durch, in letzter Zeit jedoch merkte ich, wie es mir
immer wieder schlechter ging und ich heftigen
Husten habe. Naja. Angekommen am Supermarkt,
spüre ich, wie sich mein Herz zusammenzieht und ich
nicht mehr atmen kann. Ich habe richtige Atemnot
und bekomme Angst um mein Leben. Ein Mann
kommt auf mich zu und will mir helfen, er ruft den
Notarzt. Ich merke, wie ich keine Luft mehr bekomme
und in Ohnmacht falle. Der Notarzt kommt nur wenige
Minuten später und ich höre nur Kleinigkeiten,
wie…was ist passiert…sie atmet nicht mehr…wir müssen
reanimieren, ab dann ist alles schwarz.
Ich wache erst auf, als ich ein Piepsen höre, was sich
im gleichen Rhythmus wiederholt. Ich versuche die
Augen auf zumachen und sehe weiße Wände, ich
schaue mich um und sehe ein Beatmungsgerät, an
dem ich dran stecke. Danach schlafe ich wieder ein.
Ich wache erst dann wieder auf, als ich die Tür des
Zimmers höre und der Arzt reinkommt. Er sagt: Guten
Abend Frau Bäcker, wie geht es ihnen? Sie sind auf
dem Parkplatz zusammengebrochen und mussten
reanimiert werden. Nach einigen Untersuchungen
müssen wir ihnen leider sagen, dass sie an Covid-19
erkrankt sind. Und da haben wir es, das woran ich
nicht wirklich geglaubt habe und keinen Wert
daraufgelegt habe, habe ich bekommen und wäre
beinahe gestorben, nur weil ich nicht aufgepasst
habe.
der komet
Ich sitze in meinem Zimmer, wie jeden Abend. Meine
Mutter ruft zum Abendessen. Ich stehe auf und laufe
hinunter. Meine Eltern und mein Bruder sitzen schon
am Esstisch. Der Fernseher läuft und zeigt jetzt die
Nachrichten an. Darth Vader begrüßt die Zuschauer
und sagt, dass bald ein Komet auf die Erde stürzen
wird. Ich kann in diesem Moment meinen Ohren nicht
trauen, aber meine Eltern und mein Bruder scheinen
schon davon gehört zu haben. Meine Mutter erklärt
mir, dass wir deshalb umziehen müssen, und zwar
direkt nach dem Abendessen.
Ich bin entsetzt, wütend und bekomme Schluckauf.
Ich will dieses Haus niemals verlassen, weil es in
meine Welt gehört, aber da der Komet eine
ernsthafte Bedrohung darstellt, bin ich gezwungen
meine Sachen zu packen. Ich laufe mit meiner Familie
nach draußen und kann am Himmel schon den
Kometen sehen. Ich möchte ihn aufhalten, damit wir
nicht umziehen müssen, aber allein kann ich es nicht
schaffen. Ich fühle mich nutzlos und hilflos. Meine
Eltern laufen mit meinem Bruder los. Ich will ihnen
folgen, aber etwas hält mich zurück. Ich kann einfach
nicht von unserem Haus weglaufen. Der Komet
kommt immer näher. Ich versuche mit aller Kraft
loszulaufen, aber ich schaffe es nicht. Der Komet hat
mich jetzt fast erreicht.
auf dem times square
Ich stehe auf dem Times Square in New York. Die
Straße ist menschenleer und kein einziges Auto ist zu
sehen. Ich laufe Barfuß auf der Straße in irgendeine
Richtung, etwas verloren sehe ich in die Gegend und
dann zum Himmel. Es ist Nacht aber nicht dunkel, die
Neon Lichter überstrahlen alles und du bunten
Reklametafeln blinken flimmern in grellen Farben.
Irgendwie gefällt mir, was ich sehe. Ich höre
allerdings Gar nichts. Es kommt mir so vor, als sei ich
schon immer hier gewesen und gehöre hier hin. Ich
will nie wieder weg. Ich fühle mich plötzlich so
selbstsicher und nicht mehr so klein. Ich könnte
Ewigkeiten hier verbringen.
niemand wählt mich aus
Niemand wählt mich aus. Niemand entscheidet sich
bewusst und spontan nur für mich. Ich bin immer die,
die am Ende verliert. Niemand ruft ganz spontan aus
dem Bauch heraus meinen Namen, bei der Frage,
wen er liebt. Ich habe immer nur Pech, ich gewinne
nie und verliere alles. Ja ich lebe nur so vor mich hin.
Für niemanden bin ich die Nummer 1 oder der Grund,
warum er lebt. Ich werde geliebt, aber nie bin ich die
erste Wahl. Und es hört sich so leicht an. Du musst
dein Leben selbst in die Hand nehmen und nicht
darauf warten, dass ein anderer es für dich tut.
Aber wie soll ich das tun, wenn mein Leben kein Sinn
hat? Und ja ich weiß, dass es falsch ist zu sagen, dass
ich erst glücklich bin, wenn ich der Sinn des Lebens
für einen anderen Menschen bin. Aber so ist es! Und
somit bleibe ich einfach hängen in einer ewigen
Schwebe, befreit werde ich nur von jemandem, der
die Kraft hatte, sich aus seiner Schwebe zu befreien.
Darauf warte ich, vielleicht eine Ewigkeit lang.